Schicht Pionier

Hugo Schicht: Ein Pionier des sudetendeutschen Verlagswesens: Zum 60. Geburtstage des Verlagsbuchhändlers Franz Kraus in Reichenberg (4. Oktober 1939).
In: Sudetendeutsche Monatshefte, Weinmond 1939, S. 526–527.

Noch vor zwei Jahrzehnten konnte man von einem eigenen sudetendeutschen Verlagswesen kaum sprechen. Für die Belange des Sudetendeutschtums auf diesem Gebiete wurde bis dahin ausschließlich von reichsdeutschen und Wiener Verlagsanstalten gesorgt. So manche von ihnen machten sich um das sudetendeutsche Schrifttum verdient; es war daher nur allzu begreiflich, daß sudetendeutsche Dichter und Schriftsteller, die sich einen Namen schaffen wollten oder bereits zu Ansehen gelangt waren, ihre Werke reichsdeutschen und Wiener Verlegern anvertrauten, weil damit schon die entsprechende Verbreitungsmöglichkeit gegeben war. So blieb es auch nach dem Umsturze und dies war gut so, denn dadurch konnte manches wertvolle Werk nationaler Prägung dem Zugriff und den Verbotsmaßnahmen der tschechischen Machthaber entzogen werden.

Ungeachtet dieser engen Verbindung zwischen sudetendeutschen Autoren und reichsdeutschen Verlegern forderten die neuen politischen Verhältnisse nach 1918 gar bald die Schaffung eines sudetendeutschen Verlagswesens. Gewisse Belange wiesen zwangsmäßig darauf hin, so vor allem die Angelegenheiten des Schulwesens, deren Trennung von Wien der tschechische Staat verlangte. Aber auch andere Gebiete, so die Heimatkunde, die Volksbildung usw. boten einem sudetendeutschen Verlagswesen ein reiches Tätigkeitsfeld, obzwar von vornherein feststand, daß ein großes Maß an Opferwilligkeit und ideellem Einsatz hierfür aufgebracht werden mußte. Und diese Eigenschaften, neben anderen persönlichen Vorzügen, vereinte der Buchhändler Franz Kraus in sich, der im Jahre 1919 in Reichenberg, das nach dem Krieg der Mittelpunkt des sudetendeutschen geistigen Lebens wurde und damit für eine Verlagstätigkeit wohl am geeignetesten war, seinen handelsgerichtlich eingetragenen „Sudetendeutschen Verlag Franz Kraus“ zusammen mit einer Buchhandlung gründete. War der Weg, den er gehen mußte, auch schwer, Franz Kraus setzte sich mit bewundernswerter Tatkraft und zähem Fleiße durch, wobei ihm sein gründliches Fachwissen vorzügliche Dienste leistete. Rasch gelang es ihm, seinem Verlag eine führende Stellung vor allem auf dem Gebiete der Volkskunde und Heimatbildung zu verschaffen. Er verdankte dies vornehmlich dem Umstande, daß er in geradezu vorbildlicher Weise sich einen Kreis auserlesener Mitarbeiter zu sichern verstand, die Gewähr dafür boten, seine Absichten erfolgversprechend zu verwirklichen. Es seien da nur die Namen Dr. Emil Lehmann, Prof. Dr. Erich Gierach und Prof. Dr. Adolf Hauffen genannt, drei von den vielen, die Kraus um sich zu scharen und für seine Pläne zu gewinnen wußte. Und zu den Schriftenreihen heimatkundlicher und volksbildnerischer Arbeit sowie jenen, die der Geschichte und Kunst des sudetendeutschen Raumes, dienten, gesellte sich später auch die schöne Literatur, wobei es Kraus sehr zustatten kam, daß er mit der ihm eigenen fachmännischen Gründlichkeit und Feinfühligkeit wirkliche Talente sofort erkannte und mit lobenswertem Eifer nachdrücklich förderte.

Bei der ausgesprochen völkischen Einstellung Franz Kraus’, der sich als Kind der Sprachgrenze – er wurde am 4. Oktober 1879 in Chotieschau (Bezirk Mies) geboren – schon frühzeitig politisch betätigte, ist es nur selbstverständlich, daß sein Bestreben dahin ging, die Bücher und Schriften seines Verlages voll und ganz in den Dienst der völkischen sudetendeutschen Bewegung und der Aufklärung über das Sudetendeutschtum zu stellen. Was in seinem sudetendeutschem Verlage bisher erschien, sind volksbildende Schriften und Darstellungen, sind Werke, die der sudetendeutschen Heimatbildung dienen, sind Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung, von sudetendeutschen Geistesarbeitern betrieben, und sind schließlich dichterische Werke (Romane, Erzählungen, Dramen, lyrische Dichtungen) sudetendeutscher Menschen. Sie alle haben mehr oder weniger das Sudetendeutschtum selbst zum Gegenstand; sie wenden sich aber nicht nur an dieses selbst, sondern an alle Deutschen, die sich über diesen Volkszweig, seine Lage und Arbeit unterrichten wollen, und verfolgen den Zweck, die Aufmerksamkeit weitester Kreise auf die hohe kulturelle Bedeutung des Sudetendeutschtums zu lenken.

Es ist im Rahmen dieses Aufsatzes unmöglich, aus der großen Zahl der bei Kraus seit 1919 erschienenen Verlagswerke auch nur einige namentlich zu nennen, umfaßt doch ein Verzeichnis der Verlagsveröffentlichungen von 1919 bis 1938 allein nahezu 30 Druckseiten. Hingewiesen sei aber auf die „Bibliothek deutscher Schriftsteller aus Böhmen, Mähren und Schlesien“, darunter besonders die „Große kritische Stifter-Ausgabe“ und die „Bibliographie in den Sudetenländern“.

Verleger und Buchhändler Franz Kraus hat sich während seiner nunmehr zwanzigjährigen segens- und erfolgreichen Tätigkeit große Verdienste um das sudetendeutsche Schrifttum erworben. Er war sich jederzeit der Pflichten vollauf bewußt, die er als Wahrer sudetendeutschen Kulturgutes seinem Volke gegenüber zu erfüllen hat. Durch die tatkräftige Förderung, welche er in den letzten zwei Jahrzehnten allen Bestrebungen auf volksbildnerischem und heimatkundlichem Gebiete durch die Herausgabe zahlreicher Schriften und Bücher von hohem nationalen Wert zu teil werden ließ, hat er sich um den Behauptungs- und Befreiungskampf des Sudetendeutschtums überaus verdient gemacht. Dies sei an seinem 60. Geburtstage besonders hervorgehoben und hierbei dem aufrichtigen Wunsche Ausdruck verliehen, daß es ihm noch recht viele Jahre vergönnt sein möge, als Verleger zu Nutz und Frommen des Sudetendeutschtums zu wirken, dessen herzliche Wünsche den nunmehr Sechzigjährigen auf seinem ferneren Lebenswege begleiten.