Rudolf M. Rohrer

Rudolf M. Rohrer – Friedrich Irrgang, Brünn/Brno [1906]

Anfang vorigen Monats [April 1906] wurde in Brünn der Schlußstein zum neuen, mit allen modernen Einrichtungen versehenen Gebäude gelegt, in welchem sich nun die Geschäftsräume der beiden Firmen Rudolf M. Rohrer und Friedrich Irrgang befinden. Zu dieser feierlichen Gelegenheit erschien eine äußerst geschmackvoll ausgestattete Festschrift, der wir die folgenden interessanten Beiträge zur Geschichte des Buchhandels und der Buchdruckerei in Brünn entnehmen:

Das letzte Jahrhundert und ein Jahrzehnt darüber aus der Geschichte der Buchdruckerkunst und des Buchhandels spiegelt sich in den Geschicken der Firma Rudolf M. Rohrer wider, die Kunde geben von den vielen Schranken, die so lange die freie Entwicklung des österreichischen Gewerbes gehemmt haben, aber auch von dessen gesunder innerer Kraft und von dessen achtungsgebietendem vortrefflichen Können. Zu lesen ist darin von Männern mit mutigem Willen, die in rüstigem Ringen für das Gedeihen ihres Unternehmens doch auch der Pflichten gegenüber ihrem Volkstum, gegenüber ihrer Vaterstadt niemals vergaßen.

Schon dem ersten in der Reihe, Josef Georg Traßler, ist für alle Zeit ein freundliches Gedenken gesichert, da es ihm vergönnt war, Kaiser Josef II., den unvergeßlichen Schirmer des Volkes, in den Regeln des Buchdruckes zu unterweisen. Josef Georg Traßler begründete am 2. Mai 1786 in Brünn, und zwar im Fürst Dietrichsteinschen Hause auf dem Krautmarkt, jetzt Landes- und Oberlandesgerichtsgebäude, eine Buchdruckerei – dieselbe, die heute die Firma Rudolf M. Rohrer führt. Er betrieb die Kupferstecherei und Kupferdruckerei, eröffnete eine Buch- und Kunsthandlung und widmete sich neben dieser vielfachen Tätigkeit auch noch dem Verlage verschiedener Zeitschriften, wie der „Brünner Wochenschrift“, des „Mährischen Magazins“, des „Allgemeinen Europäischen Journals“. All dies genügte nicht dem Schaffenstriebe dieses Mannes, den Christian d’Elvert wohl mit Recht den „Reformator der Presse und des Buchhandels in Mähren und Schlesien“ nennt. Im Jahre 1788 gründete er eine Filialdruckerei in Iglau und später über Auftrag der Regierung eine zweite in Krakau. Als sein Sohn Johann Baptist die Fähigkeit gewonnen hatte, ihm in der Leitung des Brünner Geschäftes an die Hand zu gehen, übersiedelte er nach Krakau, wo seine älteste Tochter Judith den k.k. Gubernialrat Karl Moritz Rohrer kennen lernte, mit dem sie sich später, als er Polizeidirektor in Lemberg geworden war, vermählte. Als im Jahre 1809 Krakau für Österreich wieder verloren ging, entäußerte sich Traßler mit großen Verlusten seiner dortigen Druckerei und kehrte wieder nach Brünn zurück, wo er in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1816 verschied. Das ausgedehnte Geschäft, das sich in den letzten Jahren in seinem Hause Adlergasse Nr. 4 (jetzt im Besitz von Ed. Böhm) befand, fortzuführen, war sein ältester Sohn Johann Baptist, geboren 1787, berufen, der sich zu diesem zwecke mit seinen Geschwistern Judith Rohrer und Adolf Karl Traßler vereinigte. Es wurde emsig gearbeitet, weit ausblickende Unternehmungen wurden ins Werk gesetzt – aber der Erfolg blieb aus. Dies veranlaßte Johann Baptists Geschwister, die Gesellschaft nach sechsjährigem Bestande (1822) aufzulösen.

Johann Baptist Traßler, nunmehr ausschließlich auf die Führung des Brünner Unternehmens beschränkt, mühte sich unverdrossen, die Ungunst der Verhältnisse zu bezwingen; so stellte er 1824 die erste lithographische Presse in Mähren auf und suchte durch neue Verlagswerke das Glück seines Vaters seinen vielfachen Plänen zu erzwingen. Aber kein günstiger Stern wollte ihm leuchten! Im Jahre 1826 verlor er auch noch das Recht, die von seinem Vater (1811) gegründete Leihbibliothek halten zu dürfen. Als auch noch mehreren anderen seiner geschäftlichen Projekte der erhoffte Erfolg versagt blieb, wandte sich sein Interesse immer mehr und mehr von der Buchdruckerei ab und nicht nur diese, sondern auch die Steindruckerei und Buchhandlung hätten unter Führung dieses mißmutig und verbittert gewordenen Mannes beträchtlichen Schaden erlitten, wenn nicht am 1. Juli 1828 der Sohn der Judith Traßler, vermählten Rohrer, Johann Baptists Neffe, Rudolf Rohrer als Geschäftsführer eingetreten wäre. Dem damals erst 23 Jahre zählenden Jünglinge gelang es, das Geschäft in allen seinen Teilen zu heben, wobei insbesondere die Arbeiten in der Steindruckerei einen so großen Aufschwung nahmen, daß im Juli 1828 eine zweite Presse aufgestellt werden mußte. Im Jahre 1829 erhielt Rudolf Rohrer die Prokura bezüglich der Druckerei und die neue Gestaltung der Dinge offenbarte sich nach außen hin dadurch, daß ein Wechsel der Geschäftslokale bewerkstelligt wurde. Die Druckerei übersiedelte in der zweiten Hälfte März 1829 in die sogenannte „Seidenfabrik“ (früher Mühlgraben 5, jetzt Dornichgasse 11), die Buchhandlung aber aus der Sattlergasse in das gräflich Zierotinsche Haus am Großen Platze. Johann Baptist Traßler kümmerte sich in der Folgezeit bis zu seinem am 25. Mai 1844 erfolgten Tode ausschließlich um die Buchhandlung in Brünn, während die Druckerei am 1. Oktober 1831 in den alleinigen Besitz Rudolf Rohrers überging. Ein Besonnener, den Verhältnissen seiner Zeit vorsichtig Rechnung tragender Mann, wußte er seine Ziele so zu setzen, daß sie für ihn erreichbar wurden und so wuchs im allmählichen Fortschreiten die technische Leistungsfähigkeit seiner Druckerei und der gute Ruf seines Geschäftes. Er hat den Farben- und Prägedruck eingeführt, er errichtete als der erste im Lande eine Stereotypengießerei und fügte bereits seinem Betriebe die Schnellpresse ein. Aus den wenig günstigen Räumen der „Seidenfabrik“ verlegte er die Druckerei mit 1. Jänner 1832 in das Macheksche Haus in der Rudolfsgasse (Konskr.-Nr. 145), wo sie bis Ende 1840 verblieb.

Rudolf Rohrer, der als Botaniker und Meteorologe tätig war, besaß auch  ein ernstes Verständnis für schöne Literatur, welches er dadurch bestätigte, daß er seit 1838 die Zeitschrift „Moravia“ erscheinen ließ, welche neben der schöngeistigen Literatur der Geschichte Mährens besondere Aufmerksamkeit widmete. Am 19. April 1835 vermählte sich Rudolf Rohrer mit Hedwig Ott, der 1813 geborenen Tochter des Landesadvokaten Dr. Alois Ott in Brünn; nur wenige Jahre waren ihm beschieden, an der Seite seiner Gattin zu weilen; gegen Ende des Jahres 1838 ergriff ihn eine schleichende Krankheit, die allen angewendeten Mitteln Trotz bot und ihn am 14. September 1839 dahinraffte. Bei seinem Tode war sein einziger Sohn, der so wie er den Namen Rudolf führte, erst ein Jahr alt.

Unter der Firma Rudolf Rohrers sel. Witwe führte Hedwig Rohrer die Geschäfte mit vieler Umsicht und gutem Glücke weiter; unter der verantwortlichen Leitung von Wilhelm Burkart erhielt sich das Etablissement, das von März 1840 an in das von Rudolf Rohrer erbaute Haus auf der Ferdinandstorbastei (Konskri. Nr. 415), jetzt Franzensberggasse Nr. 6, verlegt wurde, auf jener Höhe, auf die es durch Rudolf Rohrers Emsigkeit emporgehoben worden war. Eine große Menge von Verlagswerken mährischer Schriftsteller bezeugt die anerkennenswerte Tätigkeit des Unternehmens zu jener Zeit. Am 31. Jänner 1852 starb Hedwig Rohrer, die Firma lautete fortan Rudolf Rohrers Erben. Noch immer befindet sich die Leitung des Ganzen in der Hand des wackeren und fürsorglichen Burkart, bis dieser am 1. Dezember 1854 seine eigene Druckerei eröffnet. Die Administration des Geschäftes übernimmt der k.k. Gymnasialprofessor Dr. Matthias Sturm, während die technische Leitung in den Händen des Johann Bezdieka ruht. Inzwischen bereitet sich Rudolf Maria Rohrer, der Sohn Rudolfs und der Hedwig Rohrer, vor, in dem Berufe seines Vaters möglichste Ausbildung zu finden, wie überhaupt durch vielfache Studien die Voraussetzung für eine gedeihliche Fortführung des Geschäftes zu schaffen. Nach Absolvierung des Untergymnasiums und der Oberrealschule in Brünn, nach zweijährigem Studium an der Technik in Brünn betätigte er sich, nachdem er in der väterlichen Offizin seine vierjährige Lehrzeit am 13. April 1856 vollendet hatte, in den Jahren 1857 bis 1860 in hervorragenden Buch- und Steindruckereien des In- und Auslandes und übernahm am 3. Februar 1860 die technische Leitung, am 1. Februar 1861 die selbständige Leitung des väterlichen Unternehmens. Am 27. Mai 1862 erhielt er die Konzession zum Betriebe der Buch- und Steindruckerei in Brünn, welche fortan unter der Firma Rudolf M. Rohrer geführt wird.

Die Entwicklung, welche nun die Traßlersche Druckerei unter seiner Leitung nahm, findet deutlichen Ausdruck in den vielfachen Auszeichnungen, die ihren Leistungen zuteil wurden.

Im Jahre 1887 wurde aus Anlaß des hundertjährigen Bestandes von der Generalversammlung des mährischen Gewerbevereines der Beschluß gefaßt, eine würdige Feier des hundertjährigen Bestandes der Rohrerschen Druckerei zu veranstalten und bei diesem Anlasse dem Firmainhaber die goldene Medaille zu überreichen. Die Jubiläumsfeier gestaltete sich zu einem Feste der Arbeit, in dessen Rahmen das innige Verhältnis Rudolf Maria Rohrers zu seiner Arbeiterschaft, die Anerkennung, die seine Fachgenossen ihm zollten, das Vertrauen, das ihm seine Mitbürger so vielfach entgegenbrachten, schönen Ausdruck fand.

Rudolf M. Rohrer erweiterte das Tätigkeitsgebiet seiner Druckerei, indem er einerseits dem sogenannten Akzidenzdrucke besondere Sorgfalt widmete, anderseits eine stattliche Anzahl periodisch erscheinender Werke und Zeitschriften in Druck, vielfach auch in Verlag nahm. Unter diesen kommen in Betracht: Das „Landesgesetz- und Verordnungsblatt für die Markgrafschaft Mähren“ (seit 1854), die „Brünner Zeitung“ nebst „Morgenpost“ (von 1861 bis 1880), die „Moravia“ 1880 und 1881, das „Mährische Gewerbeblatt“, das „Kleingewerbe“, die „Österreichische Verbandsfeuerwehrzeitung“, das „Mährische Schulblatt“, die „Freien Deutschen Blätter“, das „Notizblatt der Historisch-statistischen Sektion“, die „Mitteilungen der Mährisch-schlesischen Ackerbaugesellschaft“, die „Schriften der Historisch-statistischen Sektion“ und des „Mährisch-schlesischen Forstvereines“, der „Treue Eckart“ (seit 1854).

Diese stärkste geschäftliche Inanspruchnahme hinderte Rudolf Maria Rohrer nicht, sich auf kommunalem, nationalem und politischem Gebiete vielseitig zu betätigen. Unverdrossen und arbeitsfreudig lieh und leiht er seine Kraft allen Unternehmungen, die berufen sind, Deutschtum, Fortschritt und Freiheit in Brünn und in Mähren zu schützen und zu sichern!

Rudolf Maria Rohrer vermählte sich am 3. Februar 1863 mit Karoline von Redekyi, welche im Jahre 1887 allzu früh ihrem Gatten und den beiden Söhnen Rudolf und Karl durch den Tod entrissen wurde. Während der ältere Sohn Rudolf (geboren am 1. November 1864) bestimmt wurde, der Mitarbeiter seines Vaters im Geschäfte zu werden, wandte sich der zweite Sohn Karl dem politischen Verwaltungsdienst zu.

Am 1. Jänner 1887 trat Rudolf Rohrer jun. als technischer Leiter in die Druckerei seines Vaters, um sie dann vom Jahre 1892 an als öffentlicher Gesellschafter in vereinter Arbeit mit demselben, angeeifert durch dessen Vorbild, auf Grund seiner in der Fremde gesammelten Erfahrungen, zu einem den Anforderungen moderner technischer und kommerzieller Betriebsführung vollauf entsprechenden Unternehmen auszugestalten; an dieser Ausgestaltung haben neben den beiden Chefs hervorragenden Anteil eine mit dem Gedeihen des Unternehmens eng verknüpfte, tüchtig ausgebildete Beamten- und Arbeiterschaft, von denen einzelne auf eine jahrezehntelange Mitarbeit zurückblicken können.

Im Jahre 1893 vermählte er sich mit Margarete Krackhardt; dieser Ehe entsprossen zwei Knaben, Rudolf (geboren 1893) und Fritz (geboren 1895) und drei Mädchen. Die Knaben, welche schon jetzt der Tätigkeit des Vaters und Großvaters lebhaftes Interesse entgegenbringen, sollen dereinst tüchtige Buchdrucker werden, und, sobald es ihre Ausbildung gestattet, sich an deren Seite geschäftlich betätigen.

Gleich seinem Vater betätigt sich auch Rudolf Rohrer jun. im öffentlichen Leben; er ist Vorstand des Gremiums der Buchdrucker und bekleidet noch mehr andere Ehrenstellen.

Im Oktober 1897 ging die Firma Friedrich Irrgang, Buhhandlung und Buchdruckerei, zu drei Vierteilen in den Besitz Rudolf Rohrers jun. über, womit begreiflicherweise eine innige und wertvolle Interessengemeinschaft zwischen den Firmen Rudolf M. Rohrer und Friedrich Irrgang geschaffen erscheint.

Friedrich Irrgang, am 12. August 1817 in Weimar als Sohn eines großherzoglichen Hofbeamten geboren, kam, einem Rufe seines Onkels, des damaligen Chefs und Begründers der Wiener Verlagsbuchhandlung L.W. Seidel & Sohn, folgend, Ende der dreißiger Jahre nach Österreich, konditionierte zuerst in Brünn in der Wimmerschen, heute Winikerschen Buchhandlung, wo er mit Ferdinand Buschak – geboren 29. Februar 1819 in Borynia (Galizien), verbrachte dieser seine Lehrzeit in der Buchhandlung Milliorski in Lemberg, trat im Jahre 1841 in die Buchhandlung Braumüller & Seidel, später in die von Kaulfuß, Prandl & Co. in Wien ein – seinem späteren Kompagnon, Freundschaft schloß. Nachdem die beiden kurze Zeit in Wien in Stellung gewesen waren, kehrten sie nach Brünn zurück und eröffneten im Jahre 1848 unter der Firma Buschak & Irrgang im Hause Ferdinandsgasse Nr. 2 eine Buchhandlung. Das Geschäft gedieh sehr gut, so daß es in das Wallascheksche Haus am Großen Platze übersiedelte, welches damals, in den fünfziger und anfangs der sechziger Jahre, mit seinen besonders großen Auslagefenstern eine ungewöhnliche Entfaltung gestattete. Ganz besonders günstige Ergebnisse erzielte das Verlagsgeschäft, welches auf wissenschaftliche Werke technischer Natur ein bevorzugtes Interesse legte, so daß der Firma schon nach wenigen Jahren den Titel: „Buchhandlung der k.k. Technischen Lehranstalt“ verliehen wurde. Gegen Ende des Jahres 1850 erwarb die Firma das damals in wenigen hundert Exemplaren erscheinende, von Goldbach begründete „Fremdenblatt“, welches bedeutend erweitert und vergrößert, fortan unter dem Titel „Neuigkeiten“ als Tageszeitung herausgegeben wurde. Die „Neuigkeiten“ wurden in der zu jener Zeit bestandenen Gastlschen Filialdruckerei in der Neutorgasse hergestellt, die bereits 1854 von der Firma Buschak & Irrgang erworben wurde. Da die Verlagsschriften dieser Firma nunmehr in ihrer eigenen Druckerei gedruckt wurden, erwiesen sich die Druckereiräume zu eng und es wurde das ganze Unternehmen, Buchdruckerei nebst Buch- und Zeitungsverlag, nach dem Bauerschen Hause, Krapfengasse Nr. 4 verlegt. Das Geschäftsgebiet der Firma wurde nach und nach ein so großes und erforderte so vielfache Kräfte, daß gegen Ende der fünfziger Jahre eine Veränderung der Geschäftsgebarung eintreten mußte, die darin bestand, daß das Sortimentsgeschäft zwei Angestellten überlassen wurde, welche die Buchhandlung unter ihren Namen, Seipt & Hoffmann, weiterführten, während sich die alte Firma Buschak & Irrgang auf die Pflege des Verlages und der Druckerei beschränkte. Die „Neuigkeiten“ hatten inzwischen einen wesentlichen Aufschwung genommen und starke Verbreitung in ganz Mähren und Schlesien gefunden, was im Jahre 1868 in der Veränderung des Titels: „Tagesbote aus Mähren und Schlesien“ Ausdruck fand. Bald darauf fällt auch die Gründung des Zeitungsgroßverschleißes, und zwar in einer Form, die alsdann für fast alle Kronlandshauptstädte sowie für die größten Provinzstädte vorbildlich wurde. Nach dem am 24. Oktober 1878 erfolgten Tode Ferdinand Buschaks wurde zuerst die Firma nach Auseinandersetzungen mit dessen Witwe unverändert weitergeführt, um anfangs der achtziger Jahre in die Einzelfirma Friedrich Irrgang ungewandelt zu werden. Friedrich Irrgang, der sich mit den zunehmenden Jahren immer mehr und mehr von dem öffentlichen Leben zurückgezogen hatte, führte die Geschäfte in jenem Rahmen, wie er sich zu Buschaks Zeiten ergeben hat, fort; der im Jahre 1880 begründete „Mähr.-schles. Auskunftskalender“ wurde mehrfach verbessert und das „Genealogische Adelstaschenbuch“ bis 1894 (19. Jahrgang) fortgesetzt. Im Jahre 1888 wurde zur schnelleren Druckherstellung des „Tagesboten“ eine Rotationsmaschine – die erste in Mähren überhaupt – aufgestellt. Die Last der Jahre drängte Friedrich Irrgang immer mehr zur Ruhe und als er anfangs der neunziger Jahre seine treue Lebensgefährtin und kurze Zeit darauf seine Schwester, die ihn in liebevoller Pflege betreute, verloren hatte, erkannte er, daß sein Unternehmen der Betätigung junger Kräfte bedürfe und überließ es im Oktober 1897 zu drei Vierteilen Rudolf Rohrer jun., das letzte Viertel sich und seinen Erben vorbehaltend. Da er die ganze Leitung des Geschäftes schon damals Rudolf Rohrer jun. übertragen hatte, trat mit seinem am 13. April 1899 erfolgten Tode im Geschäftsgange keinerlei Störung ein.

In: Oesterr.-ungar. Buchhändler-Correspondenz, Nr. 20, 16. Mai 1906, S. 272–274.


Rudolf M. Rohrer– Friedrich Irrgang in Brünn

Der Ursprung dieser beiden Firmen reicht in das XVIII. Jahrhundert. Josef Georg Traßler begründete am 2. Mai 1786 in Brünn eine Buchdruckerei – dieselbe, die heute die Firma Rudolf M. Rohrer führt. Er betrieb die Kupferstecherei und Kupferdruckerei, eröffnete eine Buch- und Kunsthandlung und widmete sich neben dieser vielfachen Tätigkeit auch noch dem Verlage verschiedener Zeitschriften und Bücher.

Im Jahre 1788 gründete er eine Filialdruckerei in Iglau und später über Auftrag der Regierung eine zweite in Krakau. Als sein Sohn Johann Baptist die Fähigkeit gewonnen hatte, ihm in der Leitung des Brünner Geschäftes an die Hand zu gehen, übersiedelte er nach Krakau, wo seine älteste Tochter Judith den k.k. Gubernialrat Karl Moritz Rohrer kennen lernte, mit dem sie sich später, als er Polizeidirektor in Lemberg geworden war, vermählte.

Als im Jahre 1809 Krakau für Österreich wieder verloren ging, entäußerte sich Traßler mit großen Verlusten seiner dortigen Druckerei und kehrte wieder nach Brünn zurück, wo er in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1816 verschied. Das ausgedehnte Geschäft fortzuführen, war sein ältester Sohn Johann Baptist, geboren 1787, berufen, der sich zu diesem Zwecke mit seinen Geschwistern vereinigte. Es wurde emsig gearbeitet, weit ausblickende Unternehmungen wurden ins Werk gesetzt – aber der Erfolg blieb aus. Dies veranlaßte Johann Baptists Geschwister, die Gesellschaft nach sechsjährigem Bestande (1822) aufzulösen.

Johann Baptist Traßler, nunmehr ausschließlich auf die Führung des Brünner Unternehmens beschränkt, mühte sich unverdrossen, die Ungunst der Verhältnisse zu bezwingen. Aber kein günstiger Stern wollte ihm leuchten und sein Unternehmen hätte beträchtlichen Schaden erlitten, wenn nicht am 1. Juli 1828 sein Neffe Rudolf Rohrer als Geschäftsführer eingetreten wäre. Dem damals erst 23 Jahre zählenden Jünglinge gelang es, das Geschäft in allen seinen Teilen zu heben, wobei insbesondere die Arbeiten in der Steindruckerei einen so großen Aufschwung nahmen, daß im Juli 1828 eine zweite Presse aufgestellt werden mußte. Johann Baptist Traßler widmete sich in der Folgezeit bis zu seinem am 25. Mai 1841 erfolgten Tode ausschließlich der Buchhandlung in Brünn, während die Buchdruckerei am 1. Oktober 1831 in den alleinigen Besitz Rudolf Rohrers überging. Ein besonnener, den Verhältnissen seiner Zeit vorsichtig Rechnung tragender Mann, wußte er seine Ziele so zu setzen, daß sie für ihn erreichbar wurden, und so wuchs im allmählichen Fortschreiten die technische Leistungsfähigkeit seiner Druckerei und der gute Ruf seines Geschäftes. Er hat den Farben- und Prägedruck eingeführt, er errichtete als der erste im Lande eine Stereotypengießerei und fügte bereits seinem Betrieb die Schnellpresse ein.

Rudolf Rohrer, der auch als Botaniker und Meteorologe tätig war, besaß ein ernstes Verständnis für schöne Literatur, welches er dadurch bestätigte, daß er seit 1838 die Zeitschrift „Moravia“ erscheinen ließ, welche neben der schöngeistigen Literatur der Geschichte Mährens besondere Aufmerksamkeit widmete. Aber gegen Ende des Jahres 1838 ergriff ihn eine schleichende Krankheit, die allen angewendeten Mitteln Trotz bot und ihn am 14. Jänner 1839 dahinraffte. Bei seinem Tode war sein einziger Sohn, der so wie er den Namen Rudolf führte, erst ein Jahr alt.

Unter der Firma Rudolf Rohrers sel. Wwe. führte Hedwig Rohrer die Gesöchäfte mit vieler Umsicht und gutem Glücke weiter; unter der verantwortlichen Leitung von Wilhelm Burkart erhielt sich das Etablissement, das von März 1840 an ind as von Rudolf Rohrer erbaute Haus auf der Ferdinandstorbastei (Konskr.-Nr. 415), jetzt Rohrergasse Nr. 6, verlegt wurde, au8f jener Höhe, auf die es durch Rudolf Rohrers Emsigkeit emporgehoben war. Eine große Menge von Verlagswerken mährischer Schriftseller bezeugt die anerkennenswerte Tätigkeit des Unternehmens zu jener Zeit. Am 31. Jänner 1852 starb Hedwig Rohrer, die Firma lautete fortan Rudolf Rohrers Erben. Noch immer befindet sich die Leitung des Ganzen in der Hand des wackeren und fürsorglichen Burkart, bis dieser am 1. Dezember 1854 seine eigene Druckerei eröffnet. Die Administration des Geschäftes übernimmt von da ab der k. k. Gymnasialprofessor Dr. Matthias Sturm, während die technische Leitung in den Händen des Johann Bezdiekas. ruht. Inzwischen bereitet sich Rudolf Maria Rohrer vor, in dem Berufe seines Vaters möglichste Ausbildung zu finden, wie überhaupt durch vielfache Studien die Voraussetzung für eine gedeihliche Fortführung des Geschäftes zu schaffen. Nach Absolvierung des Untergymnasiums und der Oberrealschule in Brünn, nach zweijährigem Studium an der Technik in Brünn, betätigte er sich, nachdem er in der väterlichen Offizin seine vierjährige Lehrzeit am 13. April 1856 vollendet hatte, in den Jahren 1857 bis 1860 in hervorragenden Buch- und Steindruckereien des In- und Auslandes und übernahm am 3. Februar 1860 die technische Leitung, am 1. Februar 1861 die selbständige Leitung des väterlichen Unternehmens. Am 27. Mai 1862 erhielt er die Konzession zum Betriebe der Buch- und Steindruckerei in Brünn, welche fortan unter der Firma Rudolf M. Rohrer geführt wird.

Die Entwicklung, welche nun die Traßlersche Druckerei unter seiner Leitung nahm, findet deutlichen Ausdruck in den vielfachen Auszeichnungen, die ihren Leistungen zuteil wurden.

Im Jahre 1887 wurde von der Generalversammlung des mährischen Gewerbevereines der Beschluß gefaßt, eine würdige Feier des hundertjährigen Bestandes der Rohrersehen Druckerei zu veranstalten und bei diesem Anlasse dem Firmainhaber die goldene Medaille zu überreichen. Die Jubiläumsfeier gestaltete sich zu einem Feste der Arbeit, in dessen Rahmen das innige Verhältnis Rudolf Maria Rohrers zu seiner Arbeiterschaft, die Anerkennung, die seine Fachgenossen ihm zollten, das Vertrauen, das ihm seine Mitbürger so vielfach entgegenbrachten, schönen Ausdruck fand.

Rudolf M. Rohrer erweiterte das Tätigkeitsgebiet seiner Druckerei, indem er einerseits dem sogenannten Akzidenzdrucke besondere Sorgfalt widmete, anderseits eine stattliche Anzahl periodisch erscheinender Werke und Zeitschriften in Druck, vielfach auch in Verlag nahm. Unter diesen kommen in Betracht: Das „Landesgesetz- und Verordnungsblatt für die Markgrafschaft Mähren“ (seit 1854), die „Brünner Zeitung“ nebst „Morgenpost“ (von 1861 bis 1880), die „Moravia“ (1880 und 1881), die „Mährisch-schlesische Gewerbezeitung“, die „Österreichische Verbandsfeuerwehrzeitung“, das „Deutsch-mährische Schulblatt“, das „Zentralblatt für Landwirtschaft“, „Zeitschrift des deutschen Vereins für die Geschichte Mährens und Schlesiens“ und die „Verhandlungen der Forstwirte für Mähren und Schlesien“.

Am 1. Jänner 1887 trat Rohrers ältester Sohn Rudolf Rohrer jun. als technischer Leiter in die Druckerei seines Vaters, um sie dann vom Jahre 1892 an als öffentlicher Gesellschafter in vereinter Arbeit mit demselben, angeeifert durch dessen Vorbild, auf Grund seiner in der Fremde gesammelten Erfahrungen zu einem den Anforderungen moderner technischer und kommerzieller Betriebsführung vollauf entsprechendem Unternehmen auszugestalten; an dieser Ausgestaltung haben neben den beiden Chefs hervorragenden Anteil eine mit dem Gedeihen des Unternehmens eng verknüpfte, tüchtig ausgebildete Beamten- und Arbeiterschaft, von denen einzelne auf eine jahrzehntelange Mitarbeit zurückblicken können.

Im Oktober 1897 ging die Firma Fried. Irrgang, Buchhandlung und Buchdruckerei zu drei Vierteilen in den Besitz Rudolf Rohrers jun. über, womit begreiflicherweise eine innige und wertvolle Interessengemeinschaft zwischen ,den beiden Firmen Rudolf M. Rohrer und Friedr. Irrgang geschaffen erscheint.

Friedrich Irrgang, am 12. August 1817 in Weimar als Sohn eines großherzoglichen Hofbeamten geboren, kam, einem Rufe seines Onkels, des damaligen Chefs und Begründers der Wiener Verlagsbuchhandlung L. W. Seidel & Sohn, folgend, Ende der dreißiger Jahre nach Österreich, konditionierte zuerst in Brünn in der Wimmerschen Buchhandlung, wo er mit Ferdinand Buschak — geboren 19. Februar 1819 in Borynia (Galizien), verbrachte dieser seine Lehrzeit in der Buchhandlung Milliorskyi in Lemberg, trat im Jahre 1841 in die Buchhandlung Braumüller & Seidel, später in die von Kaulfuß, Prandl & Co. in Wien ein — seinem späteren Kompagnon, Freundschaft schloß. Nachdem die beiden kurze Zeit in Wien in Stellung gewesen waren, kehrten sie nach Brünn zurück und eröffneten im Jahre 1848 unter der Firma Buschak & Irrgang im Hause Ferdinandsgasse Nr. 2 eine Buchhandlung. Das Geschäft gedieh sehr gut, so daß es in das Wallascheksche Haus am Großen Platze übersiedelte, welches damals, in den fünfziger und anfangs der sechziger Jahre, mit seinen besonders großen Auslagenfenstern eine ungewöhnliche Entfaltung gestattete. Ganz besonders günstige Ergebnisse erzielte das Verlagsgeschäft, welches auf wissenschaftliche Werke technischer Natur ein bevorzugtes Interesse legte, so daß der Firma schon nach wenigen Jahren der Titel: „Buchhandlung der k. k. Technischen Lehranstalt“ verliehen wurde. Gegen Ende des Jahres 1850 erwarb die Firma das damals in wenigen. hundert Exemplaren erscheinende, von Goldbach begründete „Fremdenblatt“, welches bedeutend erweitert und vergrößert, fortan unter dem Titel „Neuigkeiten“ als Tageszeitung herausgegeben wurde. Die „Neuigkeiten“ wurden in der zu jener Zeit bestandenen Gastischen Filialdruckerei in der Neutorgasse hergestellt, die bereits 1854 von der Firma Buschak & Irrgang erworben wurde. Da die Verlagsschriften dieser Firma nunmehr in ihrer eigenen Druckerei gedruckt wurden, erwiesen sich die Druckereiräume zu eng und es wurde das ganze Unternehmen, Buchdruckerei nebst Buch- und Zeitungsverlag, nach dem Bauersehen Hause, Krapfengasse Nr. 4, verlegt. Das Geschäftsgebiet der Firma wurde nach und nach ein so großes und erforderte so vielfache Kräfte, daß gegen Ende der fünfziger Jahre eine Veränderung der Geschäftsgebarung eintreten mußte, die darin bestand, daß das Sortimentsgeschäft zwei Angestellten überlassen wurde, welche die Buchhandlung unter ihren Namen, Seipt & Hoffmann, weiterführten, während sich die alte Firma Buschak & Irrgang auf die Pflege des Verlages und der Druckerei beschränkte. Die „Neuigkeiten“ hatten inzwischen einen wesentlichen Aufschwung genommen und starke Verbreitung in ganz Mähren und Schlesien gefunden, was im Jahre 1868 in der Veränderung des Titels: „Tagesbote aus Mähren und Schlesien“ Ausdruck fand. Bald darauf fällt auch die Gründung des Zeitungsgroßverschleißes, und zwar in einer Form, die alsdann für fast alle Kronlandshauptstädte sowie für die größeren Provinzstädte vorbildlich wurde. Nach dem am 24. Oktober 1878 erfolgten Tode Ferdinand Buschaks wurde zuerst die Firma nach Auseinandersetzung mit dessen Witwe unverändert weitergeführt, um Anfangs der Achtziger Jahre in die Einzelfirma Friedr. Irrgang umgewandelt zu werden. Friedrich Irrgang, der sich mit den zunehmenden Jahren immer mehr und mehr von dem öffentlichen Leben zurückgezogen hatte, führte die Geschäfte in jenem Rahmen, wie er sich zu Buschaks Zeiten ergeben hatte fort; der im Jahre 1880 begründete „Mähr.-schles. Auskunftskalender“ wurde mehrfach verbessert und das „Genealogische Adelstaschenbuch“ bis 1894 (19. Jahrgang) fortgesetzt. Im Jahre 1888 wurde zur schnelleren Druckherstellung des „Tagesboten“ eine Rotationsmaschine — die erste in Mähren überhaupt — aufgestellt. Die Last der Jahre drängte Friedrich Irrgang immer mehr zur Ruhe und als er anfangs der neunziger Jahre seine treue Lebensgefährtin und kurze Zeit darauf seine Schwester, die ihn in liebevoller Pflege betreute, verloren hatte, erkannte er, daß sein Unternehmen der Betätigung junger Kräfte bedürfe und überließ es im Oktober 1897 zu drei Vierteilen .Rudolf Rohrer jun., das letzte Viertel sich und seinen Erben vorbehaltend. Da er die ganze Leitung des Geschäftes schon damals an Rudolf Rohrer jun. übertragen hatte, trat mit seinem am 13. April 1899 erfolgten Tode im Geschäftsgange keinerlei Störung ein.


Literatur

  • Anderthalb Jahrhunderte Rudolf M. Rohrer 1786–1936. Die Geschichte einer deutschen Drucker- und Verlegerfamilie. Brünn-Baden bei Wien: Rohrer, 1937.
  • Schlußsteinlegung Rudolf M. Rohrer, Friedr. Irrgang. Brünn, 5. April 1906. Brünn: Rohrer, 1906.
  • Erinnerungs-Blätter an das 100-jährige Jubiläum der Buch- und Steindruckerei von Rudolf M. Rohrer in Brünn am 17. April 1887. Brünn: Rohrer, 1887. – (3 Taf.), 53 S., (3 Taf.)