Michal Kácha Verlag

Michal Kácha Verlag, Prag (samt Auslieferung)

Laut Ernst Fischer gründete (oder erwarb) der aus Deutschland ausgewiesene Verleger Hans-Joachim Adler (1887–1947) im Mai 1933 den Michael (recte: Michal) Kácha Verlag – und somit „den ersten deutschprachigen Exilverlag“ – in Prag.[1] Es überrascht daher nicht, dass die Firma nicht im Adreßbuch des Deutschen Buchhandels verzeichnet ist. Standort des Verlags (bzw. der Auslieferung) im Jahre 1935 war Prag XIX, ul. Národni Obrany 35. Der tschechische Anarchist, Journalist, Herausgeber, Übersetzer und Verleger Kácha (1874–1940) war Träger der Konzession. Die deutschen Behörden (u.a. über die Gesandtschaft in Prag) behielten Buchhändler und Verleger in der Tschechsoslowakei, die hauptsächlich mit dem deutschen Buch zu tun hatten, im Auge. Die Kurzcharaktistika von Káchas Firma: „Eine Deckfirma, deren Konzession an eine deutsch-kommunistische Emigrantin verpachtet wurde. Der Konzessionsträger Michal Kacha war gleichfalls Kommunist.“[2] Wer die besagte Emigrantin sein könnte, ist noch ungeklärt.

Original-Verlagstitel, darunter ein Werk vom Bruder des Verlegers, Bruno Adler, sind für die Jahre 1933 bis 1935 nachgewiesen. Einiges spricht jedoch dafür, dass der Michael Kácha Verlag[3] in Prag auch als Auslieferungsstelle für naziregimekritische Werke, die außerhalb Deutschlands erscheinen mussten, tätig war. Stichwort: Éditions du Carrefour in Paris. Auf Grund des Druckorts bzw. der Druckerei mancher Publikationen – etwa die „Graphia“ in Karlsbad, der Exilverlag der reichsdeutschen Sozialdemokratie, wo gewerkschaftliche und regimekritische Werke erschienen – ist denkbar, dass Adler bzw. sein Verlag als Vermittler im Spiel war. Der Verlag dürfte ein gewisses Naheverhältnis – als Auslieferer – zum Lyriker und Übersetzer Fritz Walter Nielsen (1903–1996) gehabt haben, der u.a. die Reihe „Emigrationsband“ 1936–1937 im Selbstverlag in Karlsbad (bzw. Prag) herausgab.

Eine Publikation verdient im Kontext „Exilbuchhandel“ besondere Aufmerksamkeit, und zwar handelt es sich um den zum „Neujahr 1935“ erschienenen Almanach für das freie deutsche Buch, der vom Kácha Verlag „herausgegeben“ und von der Deutschen Agrarischen Druckerei in Prag gedruckt wurde. Auf dem Titelblatt des Exemplars in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig steht: „Die Bücherstube“ Dr. Paul Steindler und Julius Federn-Bunzel. Prag II, Bredovská 8. Im Onlinekatalog der Nationalbibliothek in Prag sowie anderer Bibliotheken steht hingegen: „Bücherstube und Versandbuchhandlung Dr. Oprecht & Helbling A.G., Zürich“. Dies würde darauf hindeuten, dass die 132 Seiten umfassende Broschüre von einzelnen Verlagen finanziert und verbreitet wurde. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis scheint das zu bestätigen. Angeführt werden folgende im Deutschen Reich nicht genehmen Verlage: Editions du Carrefour, Contact, Europa-Verlag, Europäischer Merkur, Editions Excelsior, Kácha Verlag, van Kampen & Zoon, Allert de Lange, Malik-Verlag, Oprecht & Helbling, Orbis-Verlag, E. Prager Verlag, Querido, Ring-Verlag, Verlag für Sexualpolitik sowie Universum-Bücherei, Zürich. Nach den Verlagen werden fünf Zeitschriften beworben, allesamt Periodika, die im Reich nicht verkauft oder vertrieben werden durften. Im „Geleit“ des Kácha Verlags ist von Schrifttumsverboten nicht die Rede: „Zum erstenmal wird hier den Freunden des deutschen Buches in der Welt eine Uebersicht über alle wichtigen Veröffentlichungen geboten, die während der letzten Jahre in deutscher Sprache außerhalb Deutschlands erschienen, aber bisher in keinem Katalog und in keiner Bibliographie systematisch zusammengestellt worden sind.“

In einer vertraulichen Mitteilung der Auslands-Abt. des Börsenvereins vom 23. August 1939 an Káchas Leipziger Kommissionär Carl Fr. Fleischer, den Kácha kurz davor wegen der Vertretung kontaktiert hatte, heißt es: „Die Firma Michal Kacha, Prag wurde nach der Befreiung Böhmens und Mährens von der Geheimen Staatspolizei gesperrt. Sie hatte sich als Spezialbuchhandlung für kommunistische und Emigrantenliteratur betätigt. Kacha war und ist nicht Mitglied des Svaz. Eine Geschäftsverbindung mit der Firma ist abzulehnen.“[4]


Verlagsproduktion

  • Adler, Bruno: Kampf um Polna. Ein Tatsachenroman. Prag: Michael Kacha Verlag, [1934]. (Druck: Český Těšín: Karl Prochaska).
  • Almanach für das freie deutsche Buch. „Die Bücherstube“ Dr. Paul Steindler und Julius Federn-Bunzel. Prag II, Bredovská 8. Herausgegeben vom Kacha Verlag, Prag, Neujahr 1935 (Druck: Deutsche Agrarische Druckerei, Prag).

Bücherstube Almanach 1935 Rahmen

  • Bohnenstroh, Peter: Aus dem Leben eines Tolpatschs/Verse: Fritz Walter Nielsen. Zeichnungen: Milada Marešová. Prag: Fritz Walter Nielsen: Michael Kacha [Auslieferung], 1935.
  • Brecht, Bertolt – Hanns Eisler: Lieder, Gedichte, Chöre. Paris: Editions du Carrefour; [Prag: Kacha], 1934 (Druck: Imprimerie française, Strasbourg)
  • Epstein, Julius (Hrsg.): Weltgericht über den Judenhass. Eine internationale Rundfrage über das Wesen des Antisemitismus. Prag: Michael Kacha Verlag, 1933.
  • Epstein, Julius: Die gelbe Pranke. Japan an der Schwelle der Weltherrschaft. Prag–Leipzig: Kacha, 1933.
  • Hartwig, Theodor: Die Krise der Philosophie. Kritische Bemerkungen zum 8. Internationalen Philosophen-Kongreß in Prag, 2.–7. September 1934. Prag: Kacha-Verlag, 1935.
  • Kisch, Egon Erwin: Eintritt verboten. Paris: Editions du Carrefour; Prag: Kacha, 1934. (Druck: Karlsbad: “Graphia”).
  • Langhoff, Wolfgang: Die Moorsoldaten. 13 Monate Konzentrationslager. Mit 2 Illustrationen von J. Kralik. Unpolitischer Tatsachenbericht. 2. Aufl. Zürich: Schweizer Spiegel Verlag; Prag: Kacha-Verlag in Auslieferung, 1935.
  • Moszkowska, Natalie: Zur Kritik moderner Krisentheorien. Prag: Kacha, 1935.
  • Nielsen, Frederic W.: Kleiner Zyklus Deutschland. Prag: Fritz Walter Nielsen. Michael Kacha [Auslieferung, 1935].
  • Regler, Gustav: Im Kreuzfeuer. Ein Saar-Roman. Paris: Editions du Carrefour; [Prag: Kacha], 1934 (Druck: Imprimerie française, Strasbourg).
  • Schilin, Georgij: Säumiger Tod. Roman. Aus dem Russischen übertragen von Grete Reiner. [Das Werk war Anfang 1935 „in Vorbereitung“), ist aber bei Kácha nicht erschienen, sondern „ca. 1937“ bei Julius Kittl Nachf. in Mährisch-Ostrau u.d.T. Säumiger Tod. Erzählungen aus einem Leprosenheim herausgekommen.]
  • Steuermann, Carl [= Otto Rühle]: Mut zur Utopie. Baupläne für eine neue Gesellschaft. Prag: Michael Kacha Verlag.
  • Steuermann, Carl: Weltkrise & Weltwende. Kurs auf Staatskapitalismus. (Berlin: S. Fischer Verlag)
  • Türk, Werner: Kleiner Mann in Uniform. Roman. Einbandentwurf von John Heartfield. Prag–Leipzig: Michael Kacha, [1934] (Druck: Druck- und Verlagshaus Karl Prochaska, Český Těšín).
  • Weißbuch über die Erschießungen des. 30. Juni. 3. Aufl. Paris: Editions du Carrefour. Prag: Kacha-Verlag in Auslieferung 1935.
  • Woodman, Dorothy (Hrsg.): Hitler treibt zum Krieg. Dokumentarische Enthüllungen über Hitlers Geheimrüstungen. [Aus dem Englischen übertragen von Franz Obermeier]. Paris: Editions du Carrefour [Kacha, Prag], 1934 (Druck: Strasbourg, Imprimerie française).


Anmerkungen 

[1] Ernst Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare aus Deutschland und Österreich in der Emigration nach 1933. Ein biographisches Handbuch. Typographie und Gestaltung: Ralf de Jong. Herausgegeben vom Verband Deutscher Antiquare e.V., 2011, S. 9. Zum Thema Exilverlage in der ČSR siehe: Jong-Rak Shin: Selbstverlag im literarischen Leben des Exils in den Jahren 1933-1945. Diss. Univ. Kassel 2007. Hier ist allerdings Vorsicht geboten. Es werden in dieser Arbeit mehrere Selbst- und Exilverlage in der Tschechoslowakei kurz erwähnt, aber viele Angaben sind ungenau und nicht belegt. Widersprüchlich sind die Angaben über Fritz Walter Nielsen. „Das Verlagsgesetz“ wird nicht näher identifiziert, aber als Anlass für die vielen Selbstverlagsgründungen verantwortlich gemacht (S. 80). Es wird hier zwar richtig, aber ohne Beleg festgestellt, dass die hohe Zahl der Selbstverleger in der Tschechoslowakei „auffallend“ gewesen wäre, aber dieses Phänomen ist nicht spezifisch für die Exilliteratur, denn über 60% der deutschsprachigen Buchproduktion erschienen sowieso außerhalb des Buchhandels.

[2] StA Leipzig, 21765, Nr. F Nr. F 12.502, Mars-Verlag, Blatt 26. Eduard Goldstücker erwähnt Kácha in seiner Antwort auf die Frage nach den Beziehungen Franz Kafkas zu den tschechischen Anarchisten und meint, er sei „der alte Anarchokommunist“. Kácha sei damals „Leiter einer tschechischen Anarchistengruppe, Verkäufer in einem kommunistischen Bücherladen beim Verleger Paulo Prokop.“ (Eduard Goldstücker/Eduard Schreiber: Von der Stunde der Hoffnung zur Stunde des Nichts. Gespräche. Wuppertal: Arco, 2009, S. 67.) Pavel Prokop verlegte in den 1920er Jahren noch tschechische Belletristik, in späteren Jahren gar deutsche Literatur in tschechischer Übersetzung (etwa Lessings Hamburgische Dramaturgie). In den 1930er Jahren erschienen prokommunistische Werke in deutscher Sprache, wie etwa Kurt Picks Land der Sowjets, Land der Hoffnung (1936).

[3] Zu Kácha siehe Kamill Resler: Michael Kácha, průkopník krásné české knihy. [na památku kamaráda Michaela Káchy k výročí jeho smrti] v Praze 12. května 1940. [Prag]: Kamill Resler, 1941. Siehe auch die Diplomarbeit der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität Prag von Barbora Machková: Michael Kácha a česka literatura. Prag 2015, S. 44. Online unter: https://is.cuni.cz/webapps/zzp/detail/126851/.

[4] StA Leipzig, Börsenverein, 21765, Nr. F 14.237, Michal Kácha.