Karl Pickert

Buchdruckerei und Verlag Dr. Karl Pickert G.m.b.H., Leitmeritz/Litomĕřice

Die Buchdruckerei wurde 1871 von Karl Lehnert gegründet, der Verlag war im Adreßbuch des Deutschen Buchhandels nicht verzeichnet. Der Verlag gab neben Heimatkundlichem und Werken in Leitmeritzer Mundart auch mehrere Zeitungen und Zeitschriften, darunter Heimat und Welt. Monatsschrift des Prager Deutschen Fortbildungs- und Touristenvereines und Erstes Prager Modeblatt. Familien-Revue für Mode, Theater, Kunst, Literatur, Sport, Spiel und Film, heraus.


Die „Leitmeritzer Zeitung“ und die Buchdruckerei Dr. Karl Pickert, Ges.m.b.H., Leitmeritz.
In: Handbuch der sudetendeutschen Volksbildung: Kulturpolitisches Handbuch in Selbstdarstellungen der sudetendeutschen Verbände. Herausgegeben im Auftrage der „Gesellschaft für Deutsche Volksbildung in der Tschechosl. Republik“ von Emil Lehmann. Reichenberg: Sudetendeutscher Verlag Franz Kraus 1931, S. 551–552.

Karl Pickert AnzeigeIm Jahre 1871 eröffnete der Buchdrucker Karl Lehnert aus Aussig in Leitmeritz im Hause Nr. 248 der „Lehmgrube“ eine Buchdruckerei. Die damals kirchlich-konservative Richtung des „Leitmeritzer Wochenblattes“ war die Ursache, daß sich in Leitmeritz eine Anzahl deutschliberaler Bürger zusammenscharte und die „Leitmeritzer Zeitung“ gründete. Die erste Nummer dieses Blattes erschien am 1. Juni 1871 in Lehnerts Buchdruckerei. Lehnert behielt sein Geschäft nur kurze Zeit; am 1. Juli 1872 übernahm dasselbe Karl Taticzek und übertrug es in das Haus Lange Gasse Nr. 199–200. Die „Leitmeritzer Zeitung“, die ursprünglich nur einmal in der Woche u.zw. an Samstagen ausgegeben wurde, erschien von nun an zweimal wöchentlich u.zw. am Mittwoch und Samstag. Taticzek starb bereits am 30. Juli 1873. Die Druckerei und die „Leitmeritzer Zeitung“ gingen im November desselben Jahres an Dr. Wilhelm Golitschek, Edlen von Elbwart, über, der damals in politischer Hinsicht in Leitmeritz eine führende Rolle inne hatte. Dr. von Golitschek verkaufte schon im Herbste 1873 seine Druckerei und die „Leitmeritzer Zeitung“, die damals nur eine ganz kleine Auflage hatte, an phil. Dr. Karl Pickert, der 1867 die „Deutsche Volkszeitung“ gegründet hatte, die den Anstoß zum Aufschwunge der Provinzpresse gab. Dr. Pickert brachte die „Leitmeritzer Zeitung“, die er anfangs selbst leitete, bald in Aufschwung. Er betrachtete sie anfänglich nur als unentbehrliches Hilfsmittel zur Erhaltung der Druckerei, während sie später für ihn zu einem ertragreichen Besitztume wurde. Dr. Pickert, der einen ausgesprochen nationalen Standpunkt in der deutschen Politik Österreichs vertrat, nahm an der Gründung des „Deutschen Klub“ im österreichischen Reichsrate und an der damaligen Bauernbewegung hervorragenden Anteil; er war ein Volksmann, ein wahrer Volksvertreter, dem sein Volk über alles ging, dem es mehr galt als seine eigenen Interessen, seine materiellen Vorteile. Die „Leitmeritzer Zeitung“ wurde zum Sammelpunkte der deutschen Politik und der „Deutsche Landwirt“, der sich ausschließlich die Vertretung der Interessen der deutschen Landwirte Böhmens zur Aufgabe setzte, wurde von Dr. Karl Pickert unter Mithilfe des jungen Bauernführers Franz Krzepek und des Redakteurs Gierschick herausgegeben. Phil. Dr. Karl Pickert starb nach langwieriger Krankheit am 8. Oktober 1888 in Prag und wurde am Leitmeritzer Friedhofe beerdigt. Seine Witwe Marie übernahm das Geschäft und führte es weiter. Die Leitung desselben übernahm Karl Philipp; seinen Kenntnissen, seinem Fleiße, seiner Gewissenhaftigkeit und seiner selbstlosen Treue war nebst der Mitarbeit seines Kollegen, des Schriftleiters Julius Gierschick, das Aufblühen des Unternehmens, das zu Ostern 1897 aus der Langen Gasse in das neu erbaute eigene Gebäude Wallstraße Nr. 7000 alt übersiedelte, zu danken. Gierschick, der treueste und anhänglichste Diener und spätere opferwillige und selbstlose Freund phil. Dr. Pickerts, hat es verstanden, die „Leitmeritzer Zeitung“ auf ein sehr achtbares Niveau zu bringen und von Entartungen der Parteikämpfe abzuhalten. Er war ein deutscher Mann durch und durch, er verstand es, das allgemeine deutsche Interesse über das Parteiinteresse zu stellen, das Volksinteresse den engherzigen wandelbaren Parteizielen voranzustellen. Gierschick, der mehr als ein Menschenalter für das Deutschtum in Böhmen gearbeitet und sich dauernde Verdienste um die Organisation und die Altersversorgung des deutschen Journalistenstandes in Böhmen erwarb, verschied am 4. Mai 1915. Schon vor seinem Tode im Jahre 1914 ging die Buchdruckerei Dr. Karl Pickert von Marie Pickert an deren Sohn JUDr. Karl Pickert[1] in Kufstein, und 1919 von demselben an die Firma Dr. Karl Pickert, G.m.b.H., über. Die Druckerei wurde modern ausgestaltet, die „Leitmeritzer Zeitung“ im Laufe der Jahre weiter ausgebaut. An diesem Ausbau wirkte im hervorragender Weise noch Redakteur Heinrich Ankert mit, der weit als Heimatforscher bekannt und noch heute Mitarbeiter des Blattes ist; ferner die Redakteure Baudisch, Otto Payer, der mit Ende Dezember 1930 in den Ruhestand trat, und seit 31. Dezember 1930 Oskar Tamm. Das Unternehmen steht sowohl als Druckerei, Akzidenzdruck, Drucksortenvertrieb und Zeitschriftenverlag auf einer für Provinzverhältnisse achtbaren Höhe. Neben der „Leitmeritzer Zeitung“ gibt der Verlag noch das „Deutsche Daubaer Wochenblatt“, das „Erste Prager Modeblatt“, die „Lobositzer Zeitung“, die „Briefmarke“ und die beiden Kalender „Leitmeritzer Bote“ und „Kalender fürs deutsche Landvolk“ heraus. Die Druckerei leitet seit mehr als vier Jahren Herr Direktor Eduard Bittner.


Ausführliches zur Firmen- und Familiengeschichte von Karl Pickert siehe folgende Beiträge, die 2015 in der Zeitschrift Mein Bezirk erschienen sind:

https://www.meinbezirk.at/kufstein/lokales/von-leitmeritz-nach-tirol-d1250270.html

https://www.meinbezirk.at/kufstein/lokales/von-leitmeritz-nach-tirol-d1255284.html#form

https://www.meinbezirk.at/kufstein/lokales/kufsteiner-kuenstler-dokumentierte-das-grauen-in-den-konzentrationslagern-d1264455.html


Anmerkungen

[1] Karl Pickert wurde am 19. April 1874 in Leitmeritz geboren und starb ebendort am 9. Dezember 1940. Siehe die kurze Erwähnung der Firma in Zusammenhang mit der Deutschen Volksbüchereigenossenschaft Leitmeritz, in: Murray G. Hall: Zur Geschichte der Buchgemeinschaften in den böhmischen Ländern. Eine tabula rasa. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Buchforschung in Österreich 2010-2, S. 7–38, hier S. 12.